Die Jugendschacheuropameisterschaft ist vor einigen Tagen zu Ende gegangen. Zeit für einen kurzen Abschlussbericht. Anna befand sich zur „Turnierhalbzeit“ mit 4 aus 5 mitten im Titelrennen und musste in Runde 6 gegen die Polin Zuzanna Kaminska an Brett 4 dran. Nach einer vielversprechenden Eröffnungsphase, bei der die Gegnerin genau in Annas Vorbereitung gerannt ist und nur noch halb so viel Zeit auf der Uhr hatte, verlor Anna plötzlich die Kontrolle über die Partie und ließ sich innerhalb weniger Züge ihre Stellung zerschießen, womit sich das Brett 4 schon zum zweiten Mal in dem Turnier als Unglücksbrett erwies.

Der Frust hielt allerdings nur kurz an, denn in der nächsten Runde konnte sie gegen die Bosnierin Lucija Galic Wiedergutmachung leisten und relativ souverän gewinnen. Durch zahlreiche Remis an den Spitzenbrettern war jetzt am vorletzten Spieltag wieder alles möglich.

Anna bekam mit Lilian Schirmbeck eine alte Bekannte zugelost. Ein pikantes Los, beide sind sich schon auf NRW und Bundesebene begegnet (und werden sich in Zukunft wohl noch öfter begegnen) und wussten, dass die Siegerin in der letzten Runde noch einmal ganz oben angreifen darf, während die Verliererin nur noch um die goldene Ananas spielen wird. Der Umstand, dass ein Podestplatz jetzt plötzlich keine naive Träumerei mehr war sorgte allerdings dafür, dass Anna mit einer riesigen „Das muss ich jetzt unbedingt gewinnen!“ Nervosität ins Spiel ging. Dabei war eine Favoritin in diesem Duell schwer auszumachen. Für Anna sprach der letzte direkte Vergleich und die bessere Platzierung auf der DJEM (wobei die Platzierung von Lilian von der Spielstärke her sicherlich 2-3 Plätze hätte höher sein müssen), Lilian hingegen hatte knapp 90 DWZ mehr, wobei beide allerdings noch sehr volatil in ihren Turnierleistungen sind, weshalb eine Vorhersage auf dieser Basis ohnehin sehr schwierig ist.


Und tatsächlich erwies sich Annas geliebte Brett 4 auch hier wieder als Fluch: Halbwegs unfallfrei aus der Eröffnung gekommen übersah sie in einer Abtauschkombination ein ziemlich offensichtliches Zwischenschach, was letztlich aus einer vorteilhaften Stellung mit zwei Leichtfiguren mehr und einer Bombendiagonalen gegen Mehrbauer und Mehrturm in eine Verluststellung führte, woraufhin Anna völlig entnervt aufgab. Natürlich auf diese Art und Weise eine ziemlich unnötige Niederlage, aber andererseits konnte man auch sonst oft beobachten, dass die Kinder bei so einer Meisterschaft viele Fehler unter ihrem Niveau machten (Turm- und Dameneinsteller an Spitzenbretter waren keine Einzelfälle). Zu allem Unglück wurde auch Annas Magenverstimmung, die sich vorher schon ankündigte, schlimmer, so dass sie die letzte Partie leider krankheitsbedingt abbrechen musste. Am Ende stürzte Anna somit, obwohl bis zum vorletzten Tag in der Spitzengruppe, noch auf den 20. Platz (von 71). Verdiente und souveräne Siegerin wurde die Lokalmatadorin Maria Anistoroaei, die sich in Bezug auf ihrer Leistung (und/oder Nervenstärke) tatsächlich als Einzige von der Verfolgergruppe abhob. Lediglich in der letzten Partie, vermutlich weil sie rechnerisch ohnehin schon als Siegerin feststand, spielte sie etwas schwächer. Die Silbermedaille holte Lilian Schirmbeck aus Halle, während Bronze an Zuzanna Kaminska (beide 7 Punkte) ging. Erstaunlicherweise kam die Titelverteidigerin Marianta, die das Turnier im letzten Jahr mit 8,5 aus 9 beherrschte ebenfalls mit lediglich 7 Punkten und dem vierten Platz ins Ziel.
Noch kurz zu David, dessen Betreuerbericht noch nicht fertig ist: Auch bei ihm verlief die zweite Turnierhälfte etwas weniger erfolgreich als die erste. Er siegte und stolperte mit Anna im Gleichschritt und konnte genau wie sie nur die 7. Runde siegreich gestalten, hat aber mit insgesamt 4 aus 9 Punkten in einem sehr starken Teilnehmerfeld ebenfalls ein solides Turnier gespielt.